Was bei uns schnöde Valentinstag heißt, trägt in Cuba den Namen "El Dia Del Amor" und nicht nur die blanke Aussprache dessen lässt einem Rosen aus dem Mund wachsen und in romantischen Wallungen schwelgen, nein, die Cubaner nehmen das auch durchaus wörtlich. Alles, was Beine hat, treibt sich am Abend auf den Straßen herum und reibt sich heftig aneinander. Havana im Ausnahmezustand. Aber natürlich immer mit Stil. Nicht so ne stumpfe Loveparade. El Dia Del Amor... Und ausgerechnet da vergisst Scratch-D, daß er ein Mensch ist und gerät prompt in Konflikt mit der Staatsgewalt...
Aber mal der Reihe nach: Wir verbringen den Abend aus irgendwelchen Gründen am Malecón, der kilometerlangen Uferpromenade, wahrscheinlich wegen der Wellen, die an manchen Tagen spektakulär gegen die Mauern donnern und für kostenlose Duschen in Salzwasser sorgen. Wegen der Chicas vielleicht auch, wer weiß das noch so genau... Jedenfalls wird viel Bier getrunken, gequatscht, herum gelaufen und wieder getrunken. Und was wissen wir seit den ersten Alkohol-Exzessen in Pappis Partykeller? Wer trinkt muß auch wieder Wasser loswerden. Ne Stange abstellen, pillern, na ihr wisst schon.
So auch Scratch, unser DJ. Aber er tut's nicht irgendwo, sondern - und da macht sich doch deutlich der verherende Einfluss von Drogen auf unseren Willen und unsere Wahrnehmung bemerkbar - sondern einfach da, wo es ihm gerade einfällt. "Ich schiff denen jetz da hin" sagt er noch während wir weiter gehen und erst Sekunden später das drohende Unheil erkennen. Doch da ist es längst schon zu spät.
Scratch hat sich "irgendeine" Steinsäule zur Orientierung aussgesucht, die aber in Wahrheit zu einer ganzen Reihe solcher Säulen gehört, die sich auf keinem geringeneren Platz als dem "Plaza de la Revolución" befinden. Seite an Seite stehen da Säulen mit angbrachten Namensplaketten, die von den Opfern und Märtyrern im cubanischen Befreiungskampf berichten und alles in allem macht dieses Arrangement doch einen höchst wichtigen, würdevollen und stolzen Eindruck. Und so sehen wir unseren DJ bereits von mehreren Ploizisten umringt als wir uns nach ihm umdrehen, um das schlimmste vielleicht gerade noch zu verhindern... Mierda! ER spricht kein Spanisch, DIE kein Englisch - Deutsch schon ganz und gar nicht. Also reden alle auf ihn ein und er duckt sich unter den Wortsalven, fuchtelt nur gelegntlich mit Händen und Füßen. Bis dann Vicente, unser Sound-Mann, geboren in Venezuela und somit "Native-Speaker", endlich einschreitet und zu vermitteln versucht, während die Polizisten erst mal munter Verstärkung anfordern und weiter auf ihn einschimpfen. Warum er ausgerechnet hier pissen müsse, hier an diesem HEILIGEN Ort aller Cubaner, er hätte ja nun wirklich überall gekonnt, nur nicht hier, denn das sei nun wirklich ein ganz besonderer Platz nationaler Identität, die Plaza de la Revolución, der einzige Ort in Cuba, an dem man nichts tun sollte, außer still sein, still sein und ihn in stller Demut anschauen... Mal ganz unter uns: man macht so etwas auch nicht. Unmöglich ist das. Nein, nicht mal an einer abgewichsten Hauswand tut man so etwas, dazu noch als Tourist in einem Fremden Land! Das geht einfach ganz und gar nicht. Das war schon damals beim Pinkel-Prinzen in Hannover unter aller Sau...
Anschuldigungen über Anschuldigungen und Entschuldigungen über Entschuldigungen, fast eine ganze Stunde vergeht und alles hilft nichts, der Täter muß mit! Mit auf's Polizeirevier. Die anderen, also wir, könnten gehen. Wollen wir aber nicht, wir können unseren Mann doch nicht in "Feindesland" zurücklassen. So lassen wir uns beschreiben, wo das Revier sein soll, 52. Strasse, nicht weit von hier, 150 Meter vielleicht. Aha. Ok, Vicente fährt im Streifenwagen als Dolmetscher mit, Pyro und Werner laufen zu besagter Polizeistation, die allerdings ALLES ist, nur nicht das gesuchte Revier! Also fragen wir den Polizisten höflich nach der tatsächlichen Adresse... "ah, ihr seid die, mit dem Deutschen, der gegen unser Denkmal gepisst hat". Ja, sind wir und wir schämen uns bitterlich... Vermutlich weiß schon die gesamte Polizei Havanas, die Streitkräfte und Fidel persönlich davon. Gut, der Polizist ist aber trotzdem so freundlich uns ein Taxi zu rufen, wir warten draußen, vor dem Gebäude, auf dem Gehsteig.
Nicht lange allerdings, denn auf dem Gehsteig patroulieren Wachen, die was auch immer sichern sollen, vor wem auch immer (nebenan befindet sich die Amerikanische Botschaft und man will wohl einfach nur ein bißchen "representen"). Wir sollen hier nicht 'rumlungern und gefälligst auf dem Grundstück der Polizeistation warten. Ok, machen wir - nur keinen Streit anfangen. Lange hält der Friede aber nicht, denn sofort erscheint einer der Polizisten und bittet uns auf dem Gehweg zu warten und nicht vor dem Revier herum zu hängen. Ähmmm..., bitte? Von da kommen wir doch gerade. Ja so sei das eben. Drinnen dürften wir uns zwar auch aufhalten aber dann sieht uns dann der Taxifahrer nicht. Also stehen wir schließlich genau auf der Grenze zwischen allem uns die Beine in den Bauch, bis klar wird: der Taxifahrer hat uns wohl längst vergessen. Inzwischen ist nämlich schon wieder eine Stunde vergangen und die Knochen werden müde. Was Scratch gerade macht, ob er schon in der Zelle sitzt und vor allem in was für einer Zelle? Einzelhaft oder "Los-heb-die-Seife-auf"-Style? Wir wissen's nicht. Irgendwann dann die erlösende SMS von Vicente, Entwarnung, alles in Butter, wir treffen uns zu Hause... Na endlich! So'n Scheiß macht definitiv keinen Spaß und nachts um vier Uhr schon ganhz und gar nicht... (liest sich aber Jahre später eigentlich ganz gut)